„Ein Zugehörigkeitsgefühl, das bis heute nachwirkt“
ADZ-Gespräch mit Werner Roosz, dem stellvertretenden Vorsitzenden des Vereins der Freunde der Lenauschule
Es gibt einen unsichtbaren Faden, der sie verbindet: Die Schüler und Absolventen der Nikolaus-Lenau-Schule bilden die sogenannte „große Lenau-Familie“, die hauptsächlich von der Ausbildung, die sie an der Temeswarer deutschen Schule bekommen haben, geprägt ist.
Vor ein paar Jahren gründeten einige Lenau-Absolventen einen Verein, um ihrer ehemaligen Schule Unterstützung anbieten zu können. Seitdem wurden Geldspenden gesammelt, die zur Sanierung von Klassenräumen und zur Akquise von Schulausstattung verwendet wurden. Auch Mobiliar und Bücher für die Bibliothek wurden aus Deutschland gespendet. Ein wichtiges Vorhaben des Vereins der Freunde der Lenauschule ist die jährliche Vergabe des Elsa-Lucia-Kappler-Preises an Schüler mit besonderen Leistungen im Fach Deutsch. Raluca Nelepcu traf den Vizevorsitzenden des Vereins der Freunde der Lenauschule, Werner Roosz, in Temeswar und unterhielt sich mit ihm über die Projekte, die der Verein fördert.
Wie ist der Verein der Freunde der Lenauschule gegründet worden?
Der Anlass war, dass der Schülerjahrgang von 1983 im Jahr 2008 ein Klassentreffen gefeiert und bei dieser Gelegenheit festgestellt hat, dass sich die Schule in einem ziemlich üblen Zustand befindet. Die meisten der Teilnehmer waren schon an bessere Verhältnisse aus Deutschland gewöhnt, daher beschlossen sie, einen Verein zu gründen und die Schule zu unterstützen. Daraufhin wurde der gemeinnützige Verein der Freunde der Lenauschule gegründet, auf Initiative von Franz Quint und einigen mehr aus diesem Jahrgang. Ich bin erst ein Jahr später dazugestoßen, als ich erfuhr, dass es den Verein gibt. Unser Anliegen ist es, der Lenauschule zu helfen. Was natürlich auffällt, ist, dass sich die Schule baulich und materiell in einem schlechten Zustand befindet. Die Kosten, um diese Missstände zu beheben, sind sehr hoch, aber dort kann der Verein im Augenblick nicht viel tun.
Es ist uns zwar gelungen, mit aus Deutschland stammenden Fördergeldern ein paar Räume herzurichten, aber das ist eigentlich nur ein Tropfen auf den heißen Stein, da das gesamte Schulgebäude saniert werden müsste. Diese Mittel können leider nicht über uns kommen, wir fördern hauptsächlich den deutschsprachigen Unterricht und die Kultur. Ein Mitglied des Vereins stiftete einen Preis für Deutscharbeiten, den Elsa-Lucia-Kappler-Preis. Der Stifter ist Professor Kappler, ein berühmter Wissenschaftler, der selbst Lenauschüler und dessen Mutter, Elsa Lucia Kappler, vor vielen Jahren Deutschlehrerin an dieser Schule war. Ihr zu Ehren hat er diesen Preis eingerichtet. Es findet einmal jährlich ein Wettbewerb statt, bei dem tolle Prämien vergeben werden. Des Weiteren sorgen wir dafür, dass die Bibliothek der Lenauschule, die 2011 verloren gegangen ist, wieder mit Büchern bestückt wird. Wir haben bereits viele Lehrbücher und auch belletristische Werke besorgen können.
Eine etwas außergewöhnliche Spende ist ein Defibrillator. Wie ist es überhaupt zur Spende dieses medizinischen Geräts gekommen?
Eine sehr liebe Kollegin ist vor einigen Jahren plötzlich an einem Herzinfarkt in der Schule gestorben und wären ein Defibrillator und Menschen, die ihn hätten bedienen können, vor Ort gewesen, wäre sie vielleicht noch zu retten gewesen. Ein ehemaliger Schulkollege dieser Lehrerin, Herr Pistori, ein Arzt aus Deutschland, hat diesen Defibrillator der Lenauschule gespendet, mit der Bitte, dass er hier bereitsteht und Lehrkräfte geschult werden, ihn zu bedienen. In Deutschland gibt es Defibrillatoren in jeder Institution mehrfach und die Ersthelfer werden auch ausgebildet, diese zu bedienen. Das ist der Standard, zu dem wir der Schule nun auch verhelfen wollen. Außerdem kann man mit dem Gerät auf einfache Weise Leben retten, man muss sich allerdings trauen, das zu tun. Die Geräte sind sehr einfach zu bedienen. Wir hoffen natürlich, dass der Defibrillator nie angewendet werden muss, aber wenn es nötig ist, dann soll er vor Ort sein und wenn möglich ein Leben retten.
Welche Rolle hat die Lenauschule in Ihrem Leben gespielt?
Die Schule hat eine bedeutende Rolle in meinem sowie im Leben vieler anderer Lenauschüler gespielt. Zu meiner Zeit als Schüler war das eine Schule, in der das Lernen eine ernsthafte Tätigkeit war, an der uns wirklich noch die traditionellen Werte vermittelt wurden und, wahrscheinlich wegen Erich Pfaff, dem damaligen langjährigen Direktor, in der ein Gemeinschaftsgefühl entstand. Diese Werte haben sich auf viele der Schüler übertragen. Sehr wichtig war auch, dass die Schule so etwas wie eine Insel für uns wurde. Die Zeiten waren wegen des Kommunismus nicht nur materiell, sondern auch geistig und sozial nicht die besten, man war ja eher frustriert und fühlte sich nicht frei. So gesehen war die Schule für uns eine Insel der Freiheit und der Zivilisation, des sich Wohlfühlens und ein Zufluchtsort. Das wirkt bis heute nach und gibt uns ein Zugehörigkeitsgefühl.
Heutzutage sind die meisten Schüler, die die Lenauschule besuchen, keine Deutschen mehr, sondern Rumänen, die Deutsch gelernt haben. Wie finden Sie das?
Das ist super! Im Nachhinein betrachtet, ist das natürlich schade, da die Stadt weniger multikulturell wurde. Die Stadt kompensiert den Verlust eines Teils der deutschen Bevölkerung dadurch, dass jetzt Rumänen die deutsche Kultur in die Hand nehmen. Das finden wir sehr gut, es ist eine schöne Sache und es ist auch im Sinne der europäischen Idee, dass wir doch irgendwo alle zusammengehören, dass die Unterschiede geringfügig sind und dass die Ähnlichkeiten und Gemeinsamkeiten überwiegen. Die Unterschiede sollten uns eigentlich füreinander interessant machen und uns nicht voneinander abgrenzen. Dass die Schule nun hauptsächlich von ethnischen Rumänen besucht wird, ist wirklich kein Problem.
Vor Kurzem wurde eine Geldspende an die NiL-Theatergruppe übergeben. Welche Projekte möchte der Verein der Freunde der Lenauschule künftig unterstützen?
Der Verein plant in diesem Sinne nichts Großes, er hat gewisse Mittel zur Verfügung und es wäre natürlich sinnvoll, wenn die Schule mit mehreren konkreten Projektvorschlägen, die wir dann prüfen können, wie zum Beispiel eine Schülerzeitung, auf den Verein zukommen würde. Wenn es uns sinnvoll erscheint und im Rahmen des Möglichen liegt, würden wir das natürlich unterstützen. Ansonsten läuft nebenher zum Beispiel das Anschaffen von Tischen und Stühlen, die in einem noch sehr guten Zustand in Deutschland verwaltungstechnisch ausgemustert werden. Darüber hinaus stellen wir andere Lern- und Lehrmittel bereit. Die Ideen sollen aber eigentlich von der Schule und von den Schülern kommen.
Raluca Nelepcu, Banater Zeitung - ADZ vom 16.04.2014
Foto: Zoltan Pazmany