Temeswarer Tage in München: Schul- und kulturgeschichtliches Symposium mit Bezügen zur Gegenwart
Deutsches Schulwesen in Temeswar einst und heute
Mit dem am 18. April im Rumänischen Generalkonsulat in München im Rahmen der Temeswarer Tage veranstalteten Symposium setzten die Veranstalter einen schul- und kulturgeschichtlichen Akzent mit vielen aktuellen Bezügen. Das Programm umfasste Vorträge zur Geschichte des deutschen Schulwesens in Temeswar in Vergangenheit und Gegenwart, einen Beitrag über bedeutende Musikpädagogen im multiethnischen Temeswar sowie eine Präsentation der rumänischen Wochenendschule in München.
Halrun Reinholz (Augsburg), Absolventin der Temeswarer Lenauschule, hatte sich bereits in ihrer Magisterarbeit mit dem muttersprachlichen Deutschunterricht in Rumänien befasst. Eigens für das Symposium erarbeitete sie eine Überblicksdarstellung des deutschen Schulwesens in Temeswar von dessen Anfängen im 18. Jahrhundert bis zur Wende 1989. In ihrem fundierten Beitrag präsentierte sie, eingebettet in die allgemeine Geschichte des Banats und seiner Hauptstadt Temeswar, die mäandernde Entwicklung der deutschen Schulen vor dem Hintergrund der sich immer wieder verändernden Herrschaftsverhältnisse und der damit verbundenen schulpolitischen Rahmenbedingungen. Von der Lateinschule der Jesuiten, der Normalschule (Lehrerpräparandie), dem Piaristengymnasium, den Schulen der Notre-Dame-Schwestern, der Staatsoberrealschule (Vorläufer der heutigen Lenauschule, gegründet 1872, nach dem Ersten Weltkrieg Deutsches Staatsrealgymnasium) und der Höheren Handelsschule über die Gründungen der Zwischenkriegszeit (Katholische Deutsche Lehrerbildungsanstalt und Banatia) bis hin zum deutschen Schulwesen der kommunistischen Nachkriegszeit spannte die Referentin den Bogen. Dabei gelang es ihr, auch dank einer anschaulichen PowerPoint-Präsentation, die wesentlichen Entwicklungen mit ihren Kontinuitäten und Brüchen aufzuzeigen und ein schlüssiges Gesamtbild des deutschen Schulwesens in Temeswar nachzuzeichnen.
Breiteren Raum widmete Halrun Reinholz der Lenauschule, wobei sie auch aufzeigte, was den wesentlich von Erich Pfaff geprägten Geist dieser Schule und den Mythos „Lenaufamilie“ ausmachte. Das Fazit der Referentin: Die Schulsituation sei immer bestimmt gewesen von Selbstbehauptung und Assimilationsdruck. Trotz widriger Umstände sei es gelungen, dank starker Bildungsmotivation und hohen Engagements der deutschen Minderheit selbst, in allen Phasen der Schulgeschichte vorzeigbare Leistungen zu erbringen.
Wie sich die Lenauschule in dem Vierteljahrhundert seit der Wende entwickelt hat, wie sie sich heute darstellt und mit welchen Problemen sie sich konfrontiert sieht, legte anschließend die seit 2001 amtierende Schulleiterin Helene Wolf dar. Dass sich die Schule nach wie vor eines sehr guten Rufs erfreut, veranschaulichen die seit dem Jahr 2000 steigenden Schülerzahlen. Heute werden in 28 Grundschul-, 16 Gymnasial- und 14 Lyzealklassen 1510 Schüler von über 80 Lehrkräften unterrichtet. Die sehr große Nachfrage für die Grundschule hat die Schulleitung veranlasst, einen Sprachtest bei der Zulassung zur Vorbereitungsklasse einzuführen. Die Lenauschule gehört zu dem Netz von Partnerschulen der Bundesrepublik Deutschland und wird von der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen unterstützt. Die Schüler können das Deutsche Sprachdiplom erwerben, und die Absolventen der deutschen Spezialabteilung erwerben neben dem rumänischen Bakkalaureat auch die allgemeine deutsche Hochschulreife. Direktorin Wolf wies auf die vielen schulischen Projekte und außerschulischen Aktivitäten hin, die sich an ihrer Schule entfalten bzw. angeboten werden, sprach aber auch einige Probleme an, mit denen die Lenauschule schon seit Jahren konfrontiert ist: Schulgebäude (die „große Lenauschule“ befindet sich im Umbau, derzeit wird an vier Standorten unterrichtet, für die Klassen 0-8 soll ein Neubau errichtet werden), Lehrbücher und Lehrkräfte.
Mit dem Zweck, die Lenauschule und deren Schülerinnen und Schüler zu unterstützen und zu fördern, wurde 2008 der Verein der Freunde der Lenauschule ins Leben gerufen. Seine Initiativen und Aktivitäten stellte Prof. Dr. Franz Quint, der Vorsitzende des über 150 Mitglieder zählenden Vereins, vor. Die Vereinsarbeit sei weniger von Alumni-Nostalgie als vielmehr von dem Wunsch getragen, durch ein ganzes Bündel von Projekten zugunsten der Schule und ihrer Schüler Zukunftsförderung zu betreiben, so das Fazit seiner Ausführungen. Der Referent erwähnte als Maßnahmen, von denen die Schüler profitieren, den seit 2009 ausgetragenen Elsa-Lucia-Kappler- Wettbewerb im Fach Deutsch mit
einem von Prof. Dr. Günter Kappler gestifteten Preisgeld von jährlich 1000 Euro, Schüleraustausche, die Möglichkeit zu einem Schnupperstudium in Deutschland sowie die Unterstützung der Theatergruppe NiL. Durch umfangreiche Bücherspenden, die Lieferung von Geräten und großen Mengen an Schulmöbeln sowie die Finanzierung verschiedener Renovierungen leistet der Verein einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung der Ausstattung der Schule. Der Alumni-Nostalgie geschuldet sind die vom Verein veranstalteten großen Lenautreffen wie auch die geplante Erstellung einer Schulchronik. Aber auch davon würden Schule und Schüler letztendlich profitieren, zumal der Reinerlös der Lenautreffen in Projekte des Vereins fließe, betonte Franz Quint.
Der nächste Vortrag war der Temeswarer Musikgeschichte gewidmet. Dr. Franz Metz, Musikwissenschaftler und Organist in München, stellte „Bedeutende Musikpädagogen im multiethnischen Temeswar“ vor. Durch ein gesundes Nebeneinander verschiedener Ethnien konnten sich in der Banater Hauptstadt unterschiedliche Kulturen jahrhundertelang entfalten. Die hier tätigen Musikpädagogen, von denen der Referent nur die bekannteren nannte, waren unterschiedlicher ethnischer und regionaler Herkunft. Viele kamen aus anderen Gegenden und haben in Temeswar dauerhaft oder auch nur zeitweise gewirkt. Die meisten waren Solisten, die nebenbei Musikuntericht erteilten, und manche gründeten auch Musikschulen. Metz gab einen Überblick über die Temeswarer Musikschulen mit privatem, städtischem oder staatlichem Charakter und hob dabei besonders die Bedeutung des 1906 gegründeten und bis 1946 funktionierenden städtischen Konservatoriums hervor. Im letzten Teil seines Vortrags würdigte der Referent Josef Brandeisz als einen der herausragendsten Violinpädagogen Temeswars und als Chronist des Temeswarer Musiklebens. Dr. Franz Metz kündigte eine überarbeitete und ergänzte Neuauflage des 1980 im Bukarester Kriterion Verlag erschienenen Bandes „Temeswarer Musikleben. 200 Jahre Tradition“ von Josef Brandeisz und Erwin Lessl an.
Zum Schluss stellte Despina Leonhard die auf ihre Initiative hin im Jahr 2007 ins Leben gerufene Schule für rumänische Sprache und Kultur in München vor. Die in Räumen der Kirchengemeinde St. Michael in Schwabing-Freimann untergebrachte Wochenendschule verfolgt das Ziel, Kindern aus rumänischen Familien oder Mischehen die rumänische Sprache beizubringen, Einblicke in die rumänische Kultur zu vermitteln und eine „Gemeinde“ anzubieten. Sie ist der Deutsch-rumänischen Kulturgesellschaft „Apoziţia“ mit Sitz in München angegliedert und wird mittlerweile vom rumänischen Staat bezuschusst. Die Kinder erhalten nicht nur Rumänischunterricht, sie sind auch künstlerisch-musisch tätig, sie spielen und feiern miteinander. Darüber hinaus wird die Gemeinschaft durch außerschulische und Ferienaktivitäten sowie verschiedene Events gestärkt. Stolz berichtete Despina Leonhard über das 2014 herausgebrachte Buch mit Illustrationen der Kinder zum Märzchen-Brauchtum.
Walter Tonţa
aus: Banater Post Nr. 11, 15.06.2015